Die Berufung von Professorin Dr. Frauke Brosius-Gersdorf an das Bundesverfassungsgericht wirft ernste Fragen auf. Nicht über ihre juristische Fachkenntnis – die ist unbestritten –, sondern über ihre Eignung für ein Amt, das Neutralität, Zurückhaltung und überparteiliche Integrität voraussetzt. Brosius-Gersdorf hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt und auffallend meinungsstark in politische Debatten eingemischt – in einem Ton und mit einer Klarheit, die einer Verfassungsrichterin kaum gut zu Gesicht stehen.
Eine Verfassungsrichterin mit klarer politischer Haltung?
Brosius-Gersdorf ist nicht irgendwer: Sie ist Staatsrechtlerin, Publizistin und – das wird oft übersehen – politische Akteurin in eigener Sache. Ihre zahlreichen öffentlichen Äußerungen, insbesondere zu Corona-Maßnahmen, zur Impfpflicht oder zur Genderpolitik, zeigen eine Juristin, die sich nicht mit nüchterner Analyse begnügt, sondern aktiv Position bezieht – oft mit einem klar ideologischen Einschlag.
So vertrat sie etwa in der Pandemiedebatte öffentlich die Auffassung, dass Grundrechtseinschränkungen unter bestimmten Bedingungen „nicht nur zulässig, sondern verfassungsrechtlich geboten“ seien – eine Aussage, die nicht nur juristisch, sondern vor allem politisch aufgeladen war. Differenzierte Gegenargumente aus der rechtswissenschaftlichen Debatte blieben dabei oft unerwähnt.
Wissenschaftliche Autorität oder politische Mission?
Natürlich ist es das gute Recht einer Professorin, sich an gesellschaftlichen Diskussionen zu beteiligen. Doch wer den Anspruch erhebt, in Karlsruhe über zentrale Fragen der Verfassung zu entscheiden, sollte mehr sein als ein Kommentator des politischen Zeitgeists. Brosius-Gersdorf hat sich in der Vergangenheit jedoch eher als jemand präsentiert, der diesen Zeitgeist aktiv mitgestalten will.
Ihre Nähe zu bestimmten politischen Strömungen ist dabei nicht zu übersehen. Kritiker werfen ihr vor, regelmäßig Positionen zu beziehen, die mit jenen der aktuellen Regierungsparteien oder linksprogressiver Bewegungen weitgehend übereinstimmen – sei es in der Migrationspolitik, bei Fragen der Geschlechtergerechtigkeit oder beim Verhältnis von Staat und Grundrechten. Das mag in der Wissenschaft legitim sein – im höchsten Gericht der Republik ist es problematisch.
Das Problem ist nicht die Meinung – sondern Haltung.
Verfassungsrichterinnen und -richter dürfen selbstverständlich Meinungen haben. Doch sie müssen sie dort, wo sie Urteile fällen, hinter sich lassen können – und sie dürfen vor allem nicht den Anschein erwecken, mit einem fertigen Weltbild in die Verhandlung zu gehen. Brosius-Gersdorf hingegen hat bereits zu vielen zentralen Streitfragen klar Stellung bezogen. Sie ist – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – keine neutrale Juristin, sondern eine überzeugte Akteurin mit einer festen Haltung.
Das gefährdet das Vertrauen in das Verfassungsgericht. Denn dieses lebt davon, dass seine Richter nicht nur formal unabhängig sind, sondern auch in der Öffentlichkeit als solche wahrgenommen werden. Wer jedoch schon vor seiner Ernennung wiederholt politische Positionen mit verfassungsrechtlichem Anspruch vertreten hat, dem wird es schwerfallen, diesen Eindruck zu entkräften – und damit dem Amt gerecht zu werden.
Fazit: Ein politisches Signal statt einer juristischen Besetzung
Die Ernennung von Frauke Brosius-Gersdorf wirkt weniger wie die Auswahl einer juristisch ausgewogenen Persönlichkeit – und mehr wie ein politisches Signal. Sie steht symbolisch für eine wachsende Tendenz, das Bundesverfassungsgericht mit Personen zu besetzen, die eine bestimmte gesellschaftliche Agenda vertreten. Damit droht die Institution, ihren Charakter als überparteiliche, verfassungswahrende Instanz zu verlieren – und in den Sog tagespolitischer Lagerbildung zu geraten.
Ob Brosius-Gersdorf in der Lage sein wird, sich von ihrer bisherigen öffentlichen Rolle zu lösen und sich dem Geist richterlicher Zurückhaltung zu verpflichten, bleibt offen. Die Zweifel daran sind jedoch berechtigt – und sollten in einer lebendigen Demokratie nicht unter den Tisch gekehrt werden.